Unser Tagesablauf im Kindergarten gleicht einem ständigen Ein- und Ausatmen. Konzentrierte und freie Phasen wechseln sich ab. Die Grundstruktur wiederholt sich täglich. Die Kinder können zwischen 7.30 Uhr und 8.30 Uhr gebracht werden. Jedes wird von den Kindergärtnerinnen persönlich begrüßt. Die meisten tauchen dann meist gleich ins Spiel ein. Andere setzen sich erst zur Kindergärtnerin und helfen ihr bei der Arbeit: Obst oder Gemüse schneiden, Brötchen mit Butter bestreichen, Blumen pflegen.
Zum Spielen steht fast alles zur Verfügung, was der Raum hergibt. Tische, Stühle und Ständer werden zu Häuser zusammengerückt, mit Tüchern verhängt und gemütlich eingerichtet. Wäscheklammern, Sandsäckchen und gehäkelte Bänder dienen zur Befestigung der Tücher. Im Kaufladen nebenan holen sich die Hausfrauen alles, was man zum Essenkochen braucht: Kastanien, verschiedene Obstkerne, Nussschalen und vieles mehr. Ein anderes Mal verreisen die Kinder im Wohnmobil oder auf dem Schiff. Dann wieder entsteht ein Restaurant, und der Kaufladen wird geschwind zur Küche umfunktioniert. Köstliche Pizza wurde da schon gebacken und bester Capuccino gekocht. Was die Kinder erlebt haben, fließt in das tägliche Spiel ein.
Das zur Verfügung gestellte Material kann vielseitig eingesetzt werden. Ein runder Holzklotz wird mal als Getränkeflasche serviert, dann wieder dient er als Fernrohr für den Kapitän. Je weniger ein Spielzeug festgelegt ist, desto mehr wird die kindliche Phantasie beansprucht und kann sich entfalten. Manchmal entsteht auf dem Boden aus farbigen Tüchern, Tannenzapfen, Steinen und Muscheln eine Spiellandschaft für Tiere aus Holz oder Wolle. Kleine aus Filz genähte Zwerge wohnen in einer schönen Wurzel, und die Stehpüppchen werden in eine selbst ausgedachte Geschichte mit einbezogen.
Die Kindergärtnerin nimmt an dem ganzen Geschehen aufmerksam teil, während sie mit ihrer eigenen Arbeit beschäftigt ist. Ihre Tätigkeiten sind einfach und überschaubar, damit die Kinder zum Nachahmen und Mittun angeregt werden. Dazu gehören Reparatur von Spielzeug, Nähen, Bügeln, Backen, Sägen, Schmirgeln… Zwischendurch wird die Kindergärtnerin aus dem benachbarten Restaurant mit Essen versorgt oder zu einer Zirkusvorstellung eingeladen. Natürlich ist auch manchmal Streit zu schlichten oder Trost auszusprechen. Die Kindergärtnerin sorgt für eine Atmosphäre, die es den Kindern ermöglicht, sich ganz in ihr Spiel zu vertiefen, ohne von anderen gestört zu werden.
Gegen Ende der Freispielzeit räumt die Kindergärtnerin ihren Arbeitsbereich auf. Dann läutet das Aufräumglöckchen. Das gemeinsam gesungene Lied „Wer will die fleißigen Aufräumer sehen?“ begleitet diese Phase. Nun räumen Puppenmütter und Puppenväter ihre Häuser auf. Waldarbeiter sammeln die Klötze ein. In der Bügelstube werden die Tücher gefaltet. Zuletzt nimmt die Müllabfuhr alels mit, was noch herumliegt. Jedes Ding hat seinen bestimmten Platz, damit es die Kinder am nächsten Morgen gleich wiederfinden.
Nun versammeln sich alle im Stuhlkreis. Mit einem Lied werden die Häkelbänder zu Schnecken gerollt und schön in den Korb gelegt. Zuletzten singen wir „Blitzblank ist unser Haus…“ Wenn die Plappermäulchen still sind, ist es Zeit, eine Kerze in der Mitte unseres Kreises anzuzünden, ein Gebet zu sprechen und das Schutzengellied zu singen: „Schutzengel mein, behüt mich fein, Tag und Nacht, früh und spät, bis meine Seele zum Himmel eingeht.“
Dann beginnen die Tischdecker den Tisch fürs Essen zu richten. Die anderen ziehen mit einem Lied zur Toilette und zum Händewaschen. Nachdem ein Tropfen Hautöl, das „Goldtröpfchen“, in den Handschlüsselchen verteilt wurde, gehen wir zum Reigen zurück in den Gruppenraum. Dort gibt es Verse, Lieder, Singspiele, die zur Jahreszeit passen. Die Kinder lieben es, sich in ritualisierten Gesten dazu zu bewegen. Da über längere Zeit täglich die gleichen Singspiele wiederholt werden, erwerben sich die Kinder nach und nach einen reichen Vers- und Liederschatz.
Nach dem Reigenspiel setzen sich alle an den Esstisch. Unser gemeinsames Essen beginnen wir mit dem Spruch von Christian Morgenstern: „Erde, die uns dies gebracht, Sonne, die es reif gemacht, liebe Sonne, liebe Erde, euer nie vergessen werde“. Den Abschluss des Essens bildet ein Dankgebet, sodass die Mahlzeit einen festlichen Rahmen hat.
Danach geht es zum zweiten Freispiel in den Garten, wo sich vielfältige Bewegungsmöglichkeiten bieten, und wo Sandkasten und Schaufeln zur „Arbeit“ einladen. Manchmal erkunden wir auch auf langen Spaziergängen die Umgebung und erleben so jahreszeitliche Veränderungen in der Natur. Kurz vor 12 Uhr versammeln sich dann alle auf der Wiese zu einem Lied oder im Gruppenraum zu einer Geschichte oder einem Märchen. Zwischen 12.30 Uhr und 13 Uhr werden dann die ersten Kinder angeholt.
Für diejenigen Kinder, die länger bleiben, gibt es um 13 Uhr ein schmackhaftes Mittagessen. Daran schließt sich eine Ruhepause an, in der die jüngeren Kinder schlafen und die älteren ruhen. Danach können die Kinder wieder viel spielen, im Gruppenraum, aber auch im Garten, ehe sie abgeholt werden.